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Information zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Facetten: Was andere so alles über Information denken

Information zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Auf der Website der Neuen Züricher Zeitung (NZZ online) fand ich kürzlich einen Artikel „Auskunft geschlossen - Information geöffnet“ vom 07. Dez. 2002 von Herrn Helmut Klemm, freier Journalist aus Würzburg, den ich (weniger kompakt) bereits aus der Zeitschrift „Informatik-Spektrum“ des Springer-Verlags vom August 2003 kannte – mit dem bezeichnenden Titel „Ein großes Elend“.

Der einzige Hochkaräter, der mit mir die Informations-Definition diskutierte, hatte mir jenen Artikel genannt als eine topaktuelle Übersicht, was seinerzeit so alles unter Information verstanden wurde. Ich hatte ihn dennoch nicht von dem einfachen Ansatz überzeugen können, trotz langer Emails und trotz meines Buches „Physik der Information“. Am Ende schrieb er nur distanziert „aber Ihre Defintion des Informationsbegriffs ist mir trotz meines guten Willens unverständlich geblieben.“ Und es ist wahr – er hatte wirklich guten Willen bewiesen, wollte jedoch nicht den Schritt „von den Daten zur Bedeutung“ nachvollziehen:

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Die Strategie: Gleichartigkeitshypothese, Gleichzeitigkeitshypothese und Widerspruch, S. 202

„Das Gehirn jedoch zieht gar nicht in Erwägung zu glauben, sondern bevorzugt Wissen und sei es auch nur auf der Ebene von Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen.

Denn genau das tut es – es sammelt Zustände der Realität in genau festgelegter Reihenfolge, ordnet das Puzzle über Vergleiche einerseits in stabile, zeitüberdauernde Identitäten und andererseits in deren zeitabhängige Schwankungen und zählt dann die Vorkommen von bestimmten Zustandsfolgen.

Je häufiger gleichartige Folgen auftauchen, umso höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein wiederholbarer Prozess aufgefunden wurde – die Hypothese der Gleichzeitigkeit, die solche Scheibenfolgen in Verbindung zu verursachenden Identitäten setzte, wird durch Wiederholung erhärtet, weil die Informations-Vermutung durch jedes passende Ereignis bestätigt wird: Im Prinzip ist es nichts weiter als Vergleich und Zählen.“

Ihm schien die Interpretation von Bedeutung allein aus dieser materiellen Basis heraus nicht gegeben, vielleicht weil es geradezu banal erscheint: „Bedeutung von etwas“ ist die ganze Bandbreite an Verhalten und Erscheinungsformen von „etwas“ und das genau ist Information über „etwas“. Interpretation als „Gewinnung von Verständnis“, sprich als Rekonstruktion der Information ist in unserem menschlichen Geist zwar überaus hoch entwickelt, führt sich letztlich aber nur auf Zustände, Anordnungen und deren Anzahlen zurück, denn je häufiger eine Reihe von Zuständen auftritt, umso höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Regelwerk dahinter steht, ein stabiler Prozess, der diese Zustände erzeugt – und das ist Information.

Das Problem dabei ist das kleine Wort „Prozess“: Information ist ihrem Wesen nach Veränderung und genau deshalb absolut und total unverständlich. Warum?

Abbildung – das Zauberwort heißt Abbildung und ist in der so genannten „Widerspiegelungstheorie“ längst als Kennzeichen der Information klargelegt worden.

Anmerkung: Dass ich zwar die Abbildbarkeit der Information in meinem Buch „Physik der Information“ inbrünstig betonte, nicht aber diese Theorie, liegt schlicht und einfach daran, dass ich es mir aus der Definition der Information herleitete, nicht aus anderen Schriften angelesen habe. Selbst die Bezeichnung „Widerspiegelungstheorie“ kenne ich erst seit diesem Artikel des Informatik-Spektrum. Auch Prof. Dr. Norbert Wiener, dessen Namen ich inzwischen vielfach auf dem Internet gefunden habe, musste ich nach zwanzig Jahren erst wieder neu entdecken – weil mir in diesem Spektrum-Artikel seine These von der „Entropie-Gegengröße Information“ geradezu in die Augen sprang und ich mich deshalb heute fragte, ob mir der Name „Wiener“ nicht schon früher untergekommen sei, besonders unter dem Aspekt „Kybernetik“, der mich schon in meiner Jugend interessiert hatte. Und tatsächlich fand ich eine kleine Schriftensammlung, in der nicht nur Prof. Wiener, sondern sogar Konrad Zuse und Karl Steinbuch Autoren waren. Meine Anmerkungen zeigen mir heute freilich, dass Information damals kein Thema gewesen war für mich – obwohl ich jetzt feststelle, dass ... doch das soll ein anderer Artikel „Kybernetik“ werden. So ist mir in meinen langen Jahren Studium und Bücherlesen sicher auch Shannon untergekommen, bewusst wurde er mir freilich erst durch den idw, als ich ihm meine Entdeckung mitteilte und mir seine Formel als längst bekannte Definition der Information genannt wurde.

Abbildung – das Regelwerk „Information“ kann über Zustände und deren Anordnungen abgebildet (und gespeichert) werden und genau das nutzt jede Informationsverarbeitung aus, ob aktiv oder passiv, auch unser Gehirn. Verstehen funktioniert nur als Nachvollzug von Zuständen und deren Hintereinanderschaltung, die Veränderung selbst jedoch bleibt außerhalb unserer Reichweite. Sehr schön ist dies an der „Zeitscheibentechnologie“ des Gehirns zu sehen, das die eingehenden Signale im „Gegenwartsfenster“ (30 ms) rastert, um die Veränderung der Situation als Veränderung von einzelnen Daten erfassen zu können. Aus diesen völlig unkoordinierten Daten von Augen, Ohren, Nase und Haut pro Zeitscheibe wird über die Gleichartigkeitshypothese alles zusammengefasst, was gleich ist und von dem getrennt, was anders ist.

Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716:
Das Prinzip von der Identität des Ununterscheidbaren:
Was nicht unterschieden werden kann, ist gleich

Dieses theoretisch so einfache Prinzip erlaubt es, aus dem Chaos von Details Einheiten zu schaffen – aus Wirrwarr wird Muster, aus Unordnung wird Ordnung...

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Die Strategie: Gleichartigkeitshypothese, Gleichzeitigkeitshypothese und Widerspruch, S. 197/199

„Was wir bisher noch nicht berücksichtigten, war der Schritt von der Wirklichkeit zur Abbildung, von den nur bedingt kontrollierbaren Wertveränderungen außerhalb der Informationsverarbeitung zu den streng kontrollierten Wertveränderungen im eigenen System.

Was hier das Problem ist?

Die Zuordnung.

Werte sind nichts weiter als zusammenhanglose „Mengenelemente“, grün, lila, groß, mächtig, böse, anziehend, auflösend, gutmütig, 3,14 oder „c“ - das alles sagt nicht wirklich etwas aus...

Diese beiden Hypothesen [Gleichartigkeitshypothese, Gleichzeitigkeitshypothese] erlauben sowohl objektive als auch logische Zusammenhänge zu postulieren: Aus dem Chaos der Werte erzeugen sie eine vernünftige Struktur und das in praktisch einem direkten Schritt, weil sie das Wirrwarr der Werte in identifizierbare Objekte und logische Kausalitäten aufteilt. Das ist aber bereits das „Teilchen-Wechselwirkungs“-System der Physik, der Methoden-Variablen-Ansatz der Programmierung oder einfach das Identitäts-Verhaltens-Schema der Information, eine Struktur aus identifizierbaren, interagierenden Elementen.“

...aus unkoordinierten Daten wird „etwas“, was gespeichert, erinnert, verglichen, bearbeitet werden kann.

Und verglichen wird dieses Muster – mit den genauso unkoordinierten Daten von Augen, Ohren, Nase und Haut der vorherigen Zeitscheibe und der folgenden, denn diese Zeitscheiben schaffen „Gleichzeitigkeit“ und damit auch „Reihenfolge“. Weil diese Einheiten, die aus der Gleichartigkeit auftauchten, ihr Verhalten durch ihre allmähliche, deutlich auf den Zeitscheiben sichtbare Veränderung anzeigen – nicht durch den Vorgang der Veränderung selbst, sondern durch die Spuren der Veränderung an den Daten, die pro Zeitscheibe fixiert wurden.

Zeit – sie ist genauso unfassbar wie Information aus genau dem Grund und genau deshalb lässt sie sich auch nur und ausschließlich über Information überhaupt erfahren: Unsere Uhren sind ein herrliches Beispiel dafür, denn sie zeigen nicht nur die Vorhersehbarkeit auf, die Information, das „Uhrwerk“ erzeugt, sondern auch die Möglichkeiten von Planung und Kontrolle, die aus der Gleichmäßigkeit und Identifizierbarkeit dieser Veränderung herrühren.

Die andere bedeutende physikalische Größe, die definitiv und unleugnbar mit der Zeit zusammenhängt, ist die Entropie.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02
(Quelle: NZZ online, 26.04.2004: http://www.nzz.ch/2002/12/07/zf/page-article85C0X.html#nzzo-2002.12.07-zf-article8J23Y
Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG: Zitate mit freundlicher Genehmigung v. 26.04.2004)

„Unter dem Dach der Kybernetik war «Information» an zentraler Stelle placiert. Wiener hatte sie zum Gegenbegriff von Entropie stilisiert und damit im physikalischen Universum verankert. «Information ist Information, weder Materie noch Energie»; mit dieser Formulierung prägte er eine oft zitierte, aber auch missverstandene Weltformel.“

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Entstehungsgrund, S. 189

„Es ist der Gegensatz zwischen Information und Entropie und zwar genau deshalb, weil Information Ordnung erlaubt und Leben Ordnung braucht, Entropie Ordnung dagegen abbaut“

Information und Unendlichkeit: Infinity kills information, S. 175

„Dass die Mathematik unendliche Mengen kennt und theoretisch behandeln kann durch Handlungsanweisungen, die praktisch problemlos im Einzelfall, aber unmöglich in der Gesamtheit durchzuführen sind, berührt deshalb die Frage der Information gewaltig.

Doch selbst wenn die Mathematik uns sagt, dass Mengen auch in der Unendlichkeit abgrenzbar sind, so weist die Physik mit der Entropie als Zerstörerin jeder Ordnung in die Richtung der Verneinung: Wird das Grenzenlose betrachtet, verliert Ordnung, die Konsequenz der Information, zwangsläufig an Bedeutung, wird zersetzt, aufgelöst, hinweggewischt von der Entropie.“

Ordnung und Symmetrie, Zeit und Entropie: Nur das Rauschen ist ewig, S. 180

„Entropie als Maß von Unordnung ist gleichbedeutend mit einem Mangel an Kenntnis, also fehlender Information. Dass dieser Mangel an Information tatsächlich mit unterscheidbaren Zuständen zu tun hat, zeigt die „Haarlosigkeit“ des Schwarzen Lochs und der Verlust von Information, der einhergeht mit dem Verlust aller Eigenschaften mit unterscheidbaren Werten bis auf Masse, Drehimpuls und Ladung.

Dass Informationsverlust andererseits nicht einhergeht mit dem Verlust von Wirkung an sich, zeigen die virtuellen Teilchen.“

Prof. Dr. Norbert Wiener hatte also – und das vor Jahrzehnten – bereits die Natur der Information erkannt, auch hinsichtlich ihrer Bedeutung als „Weltformel“. Denn Information ist die Basis des Universums, wie wir es kennen, weil regelmäßige, identifizierbare Prozesse aus dem Quantenrauschen, das überall am Ende jeglicher Teilchenphysik steht, mithilfe der allgegenwärtigen „Störungen“ unseren Kosmos geschaffen haben bis hin zu den gigantischen Wänden aus Galaxien in unserem Weltall.

Und weil sie Prozess ist, also Zustände ändert, ist sie weder Materie noch Energie. Sie ist beides: Sie ist die regelmäßige, erkennbare Veränderung eines Zustandes (a) in einen Zustand (b), wobei Zustand (a) und (b) Materie und/oder Energie sein können, die Veränderung aber eine Wirkung ist, Energiefluss, der stark genug ist, die Zustände zu manipulieren.

Auch hier irrte Norbert Wiener nicht. Und das bereits 1948 in seinem Buch „Kybernetik“.

Information ist damit auch immer kausal und deterministisch: Sie hat definierte Ursachen und genauso definierte Ergebnisse und ist damit für Philosophen ein dankbares Thema. Andererseits ist sie immer zuerst Prozess, ist Veränderung, ist zeitabhängig, ist per se nicht abbildbar, ist „unverständlich“ – schlicht und einfach unverständlich. Denn unsere Gehirne arbeiten wie jede Informationsverarbeitung mit Abbildung, um die Regelmäßigkeit der Information auszunutzen zur Prognose.

Genau dies ist doch der Grund, warum Informationsverarbeitung überhaupt stattfindet: Prognose – was geschieht, wenn? Und dies ist die einzige und unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Entscheidungen existieren in dieser Welt. Ohne Prognose gibt es keine Entscheidungen. Ohne Prognose gibt es nur Rätselraten. Entscheidung ist immer mit Abwägen verbunden und Abwägen ist zielorientiert – wer ein Ziel hat, möchte es verwirklichen, braucht eine Idee davon, wie das möglich sein könnte: Prognose. Doch nur Information erlaubt Prognose, jegliches andere Ereignis ist nur Zufall, Willkür, nutzlos, Entropie.

Alles, was wir Menschen tun, denken, wollen, können, ist deshalb notwendig mit Information und der Suche danach verbunden – und funktioniert notwendig über Abbildungen: die speicherbaren Kopien unserer Realität, die wir im Kopf, in Büchern, in Gesprächen aufbewahren, austauschen, verändern, korrigieren und verwenden können.

Deshalb ist Information für uns immer untrennbar mit Informationsverarbeitung, untrennbar mit Abbildung verbunden, mit den Zuständen, die sie erzeugt.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„Damals wurde, so Capurro, «Information» «von der Nachrichtentechnik annektiert» und als rein statistische Eigenschaft einer Gesamtheit von Nachrichten definiert. Die wirkungsvollste Publikation war der Artikel «The Mathematical Theory of Communication» von Claude E. Shannon, Wissenschafter der Bell Telephone Laboratories in den USA...

«Der technisch bedeutungsvolle Aspekt ist», schrieb Shannon, «dass die tatsächliche Nachricht aus einem Vorrat von möglichen Nachrichten ausgewählt worden ist.»“

Statistische Eigenschaft und Auswahl: beides seit Shannon typische Elemente vieler Informationsdiskussionen.

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Abbildungsstrategien, S. 82

„Das Paradox [Bertrands Paradox] zeigt damit auch den Zusammenhang zwischen Information und Wahrscheinlichkeit von Zuständen, der in der Informationstheorie seit Shannon postuliert wird: gleichwahrscheinlich sind Zustände im Falle, dass nichts bekannt ist, doch je mehr Information über ein Verhalten zur Verfügung steht, umso höher fällt die Wahrscheinlichkeit für einzelne Zustände aus.

Doch Vorsicht: das widerspricht nur auf den ersten Blick der Shannon-Formel, die von unwahrscheinlichen Zuständen als Informationsträger ausgeht, also davon, dass mehr Information in einem Zustand verborgen ist, je niedriger seine Wahrscheinlichkeit ist. Je mehr Information in einem Zustand steckt, umso höher fällt zwar die Wahrscheinlichkeit für sein Auftreten aus, die Anzahl der Zustände wird dadurch indessen nicht verändert. Sein zahlenmäßiges Verhältnis zu den übrigen Zuständen, das durch die Shannon-Formel verwertet wird, bleibt selbstverständlich gleich.“

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„«Information» ist aus dieser Sicht, so definiert Weaver, ein «Mass für die Freiheit der Wahl» und damit von der Anzahl der Wahlmöglichkeiten abhängig.“

Auswahl – dies wird sehr häufig als das Kennzeichen von Information gesehen und sehr oft mit „bewusster Auswahl“ assoziiert, doch es ist ganz allgemein das Kennzeichen jeder Ordnung:

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Die Gesichter der Information, S. 87

„Jede geordnete Struktur prägt nicht nur sich selbst die Ordnung auf, sondern sucht auch die Partner nach der eigenen Ordnung aus und kann nur dieser eigenen Ordnung gemäß in Kontakt mit solchen Partnern treten, denn Ordnung ist ein Ausschlussprinzip

Die Strategie: Gleichartigkeitshypothese, Gleichzeitigkeitshypothese und Widerspruch, S.199

„eine Struktur aus identifizierbaren, interagierenden Elementen. Das wiederum heißt, dass diese Struktur bereits eine Vielfalt möglicher Wirkungsketten enthält, weil all die Kombinationen von Elementen und ihren Verhaltensweisen solche Wirkungsketten, „Prozesse“ oder „Lösungen“ erzeugen können. Viele Lösungen nützen aber gar nichts, denn eine einzige Entscheidung muss getroffen werden und somit hat eine Auswahl zu erfolgen.

Das Prinzip der geringsten Wirkung bietet hier das Hilfsmittel an, die notwendige Selektion unter allen angebotenen Lösungen durchzuführen. Es ist das Werkzeug, mit dem eine eindeutige Verlaufshypothese für das beobachtete System erstellen werden kann, mit dem „Ordnung“ in der Vielfalt geschaffen werden kann. Ordnung ist schließlich bloß ein Ausschlussprinzip.“

Information als physikalische Wirkung unterliegt dem Prinzip der geringsten Wirkung und dieses ist ein Variationsprinzip – es selektiert: Es selektiert aus allen möglichen Verläufen mit allen möglichen Zustandsausprägungen einen heraus und damit selektiert es aus allen möglichen Zuständen einige wenige heraus und zwar die, die der Prozess „Information“ erzeugt.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„Dabei fand man überall «Information» und verbreitete, so ein Tagungstitel 1968, «Information über Information». Sie war nach dem Nachrichtentechniker und Informationstheoretiker Karl Steinbuch «gemeinsames Grundraster von Bewusstsein und Gesellschaft», sollte aber auch bei Tieren anzutreffen sein.“

Nicht nur bei Tieren – der zentrale Unterschied zwischen Pflanzen und Tieren ist die Art der Informationsverarbeitung: aktiv und passiv.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„dass die Entstehung des Lebens «nachweislich eng verbunden ist mit der Entstehung von Information».“

Die Stufen der biologischen Entwicklung sind nicht nur „eng verbunden“, sie sind bewirkt durch Optimierungen der Informationsverarbeitung und müssen deshalb notwendig „gemeinsames Grundraster von Bewusstsein und Gesellschaft“ sein.

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Der Ursprung der Kultur, S. 37

„Information ist somit ebenso zentraler Bestandteil einer sozial funktionierenden Gruppe wie sie es für das biologische Überleben der Art zuvor gewesen war. Information, deren Beherrschung die Stadien des biologischen Lebens zu charakterisieren vermag, verschaffte der Menschheit mit Erfindung der Sprache ein rapide wachsendes Gehirn und verhalf ihr dazu, sich über die ganze Erde auszubreiten. Sie bestimmte nicht nur die Art der biologischen Fortpflanzung über Gene, sondern auch die Kulturen der Menschen, ihr Denken und ihr Handeln, ihre Wünsche und Entscheidungen.“

Und weil Information mathematisch fassbar ist, können sogar Abschätzung darüber gemacht werden, wann sich Intelligenzsteigerung für die Biologie lohnt: Die Zugewinnfunktion der Intelligenz ist keine lineare Funktion.

So vielversprechend und richtig diese ganzen Vorstellungen der Kybernetik waren, so genügten sie wohl leider nicht, eine gemeinsame Bestimmung von Information festzulegen.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„Anders als die Informatiker haben die Informationswissenschafter schon vor Jahren einen Konsens über den Grundbegriff in ihrer Disziplin erreicht. Sie beziehen sich auf eine Definition, die der Informationswissenschafter Rainer Kuhlen formulierte. Als «Information» gilt danach «die Teilmenge von Wissen, die von einer bestimmten Person oder einer Gruppe in einer konkreten Situationen benötigt wird» - oder abgekürzt: «Information ist Wissen in Aktion.»“

Hier wird der zweite Aspekt in allen Informationsdiskussionen deutlich: Die Kommunikation, die das Problem „Information“ von der Seite der Informationsverarbeitung her sieht und damit zu Aussagen kommt, die gelegentlich recht widersprüchlich zu den eher technischen Variationen erscheinen. Doch sie hat den Vorteil, all denjenigen, die Bewusstsein und menschliche Intelligenz direkt mit Information verbinden, sehr entgegenzukommen.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„Der Wissenschaftsphilosoph Peter Janich hingegen hatte «überflüssige oder falsche informationsbegriffliche Beschreibungen» zum Anlass für eine Rekonstruktion des Begriffs genommen. «Information», forderte er, müsse zwingend auf das «Verständnis gelingender menschlicher Kommunikation» aufbauen und deshalb von der Lebenswelt her verstanden werden. Das technisch geprägte Informationsverständnis wäre damit, so Janich, «vom Kopf auf die Füsse» gestellt. Gemäss Janich kann man nur «von menschlicher Kommunikation zu Informationstheorien» gelangen. Ropohl bestreitet das.“

Prof. Günter Ropohl hat Recht. Denn menschliche Kommunikation ist zwar immer Informationsverarbeitung, doch mit Sicherheit nicht die ausschließliche. Dabei übergehe ich noch die Probleme, die „gelingende menschliche Kommunikation“ hinsichtlich der Erfassung und Bewertung des Begriffs „Gelingen“ aufwerfen.

Es zeigt jedoch eines sehr schön: Information weckt oft auch Emotionen, spricht also sehr tief liegende Elemente unseres Bewusstseins an, die dann wiederum bei den Diskussionen zu recht interessanten Ergebnissen führen können.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„Janich reagierte gereizt auf «bulliges wissenschaftstheoretisches Selbstwertgefühl» und riet dazu, den Baseballschläger aus der Hand zu legen. Diese Entgleisungen wurden als Kollision der gerne zitierten «zwei Kulturen» interpretiert“

Zwei Kulturen – die Seite der Information und die Seite der Informationsverarbeitung. Letztere lässt sich prächtig an dem Begriff „Wissen in Aktion“ demonstrieren (Rainer Kuhlen) und deckt sich mit dem Begriff „verwertbare Information“: „Verwertbar sind solche Transformationen, die eine Intelligenz erfassen und simulieren kann, die sie in ihrem Wissen bereits integriert hat“, wobei Wissen und Intelligenz bestimmt wurden zu: „«Intelligenz» ist die Fähigkeit, Information aufzunehmen und zu verarbeiten. Dies geschieht durch Abbildung und ist möglich, da Information durch ihre Regelmäßigkeit durch Zustände und ihre Abfolge gekennzeichnet ist. Selbst wenn also die Dynamik der Information per se nicht speicherbar ist, weil Veränderlichkeit das absolute Gegenteil von Stabilität und Speicherbarkeit ist, so sind doch die verschiedenen „Stufen“ der Dynamik durch die ständig sich wiederholenden Zustände klar fassbar. „Wissen“ ist dabei die gesamte bereits vorhandene Abbildung einer Intelligenz. Zu beachten ist, dass diese Abbildung nicht nur die Zustände und ihre Reihenfolge umfassen muss, sondern insoweit auch dynamisch sein muss, dass sie diese Zustände/Reihenfolgen abspeichern und abfragen kann.“

Dass die Herleitung der Begriffsbestimmung „Information“ aus der sekundären Verarbeitung Probleme macht, zeigt folgendes Zitat:

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„In Deutschland hat der Jurist und Soziologe Niklas Luhmann auf der Basis der sich selbst organisierenden Systeme eine umfassende Theorie entwickelt. «Information» ist hier ausschliesslich an die Operation von Systemen (zum Beispiel das Recht, die Kunst, die Wissenschaft, usw.) gebunden. Nach Luhmanns Schüler Dirk Baecker sind Systeme, ob psychisch oder sozial, «informational geschlossen». Das heisst, dass sie Information weder abgeben noch aufnehmen können: «Jedes System macht sich seine Information selber.» Die Umwelt von Systemen enthält demnach keinerlei Information. Information wird «systemintern erzeugt». «Ein System informiert sich», erklärt Baecker, «indem es sich selbst mit Möglichkeiten der Information überfordert und aus diesen Möglichkeiten eine Auswahl trifft.»“

Selbstorganisierende Systeme sind immer Informationsverarbeitungen, das ist unbezweifelbar. Was freilich bezweifelt werden kann, ist die Anthropozentrik der Betrachtung. Selbstorganisation ist nicht notwendig eine Sache, die mit Beobachtern, mit Auswahl und Erfahrung auf einer menschlichen Ebene zu tun hat.

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Beobachter und Wirklichkeit, S. 23

„Selbstorganisation ist freilich nicht unbedingt mit selbständigen Aktivitäten oder gar bewussten Beobachtern gleichzusetzen....

Vom Standpunkt der Information aus sind selbstorganisierende Systeme nichts anderes als Informationsverarbeitungen. Um diese Information verarbeiten zu können, müssen die Elemente des Systems miteinander in Wechselwirkung stehen, wobei Wechselwirkung genau das ist, was das Wort sagt: Wirkung wird ausgetauscht, Wirkung, die sich stets und überall in Wertveränderungen irgendwelcher Eigenschaften zeigt.

Information wird von außerhalb der Grenzen des Systems als Wertveränderung eigener Eingangsstellen aufgegriffen und durch die eigenen Elemente hindurchgereicht. Über eine Bewertung und Entscheidung wird die Wirkung in Reaktion umgesetzt, mit denen das selbstorganisierende System auf die Ereignisse seiner Umgebung antwortet. Bewertung und Entscheidung haben dabei nicht grundsätzlich etwas mit intellektueller Abwägung zu tun, sondern können wie bei der Kristallbildung oder den Kohlenstoffatomen einfach eine Frage von Vorzugsrichtungen sein. Die Informationsverarbeitung reduziert sich damit auf die Frage von unterscheidbaren Einzelfällen und deren konkreten Zuständen, ihren Positionierungen, Vorzugsrichtungen und unterschiedlichen Verhaltensweisen.“

„Informelle Geschlossenheit“ in Selbstorganisationen, die physikalisch als offene Systeme beschrieben werden, denen aus der Umgebung Energie zugeführt werden muss, wird durch die Aussage „Jedes System macht sich seine Information selber“ erklärt – Frage: Wozu?

Warum sollte irgendein System Informationsverarbeitung betreiben – sprich Arbeit, Ressourcen, Energie... aufwenden, wenn es Information „selbst“ macht? „Ein System informiert sich», erklärt Baecker, «indem es sich selbst mit Möglichkeiten der Information überfordert und aus diesen Möglichkeiten eine Auswahl trifft.»“

Informationsverarbeitung heißt also, sich selbst zu überfordern, ohne dass ein externer Grund vorliegen sollte? Es kann schließlich „weder Information aufgenommen noch abgegeben“ werden. Wenn dagegen ein externer Grund vorliegt, muss auch etwas übertragen werden von extern nach intern, um diesen Grund zu erkennen. Dann wird, ganz umgangssprachlich, ganz allgemeinverständlich, die Information „externer Grund“ aufgenommen.

Solche Probleme erinnern mich sehr an die Widersprüche, die die frühen Kommunikationstheoretiker bereits vorfanden und die damals das Rennen für die mengenmathematischen Geometriker (Euklid) entschieden:

Parmenides, „Peri physeos”, Lehrgedicht 1. Auflage um 500 v. Chr., Elea
„du darfst alles erfahren,
sowohl der runden Wahrheit unerschütterliches Herz
wie auch das Dünken der Sterblichen, worin keine Verlässlichkeit ist
Aber gleichwohl wirst du auch dies verstehen lernen,
wie das ihnen Dünkende gültig sein musste und alles durchaus durchdringen”

Der berühmte Zenon war übrigens ein Schüler von Parmenides, dieser Zenon, dessen Paradox (schneller Läufer kann Schnecke nicht einholen) erst durch die Differentialgleichung sauber aufgelöst wurde.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„Zwischen kommunizierenden Systemen findet, so Luhmann ausdrücklich, «keine Übertragung» statt. Kommunikation ist in seiner Terminologie «Prozessieren von Selektion» und nur ein «Sonderfall von Informationsverarbeitung».“

Frage aus der Physik: Wechselwirkungen sind zentrales Element jedes Austausches, jeder Veränderung. Wenn also keine Übertragung stattfindet, wie soll dann ein „Prozessieren von Selektionen“ realisiert werden? Wie starte ich den Prozess, wie beende ich ihn – ohne Übertragung?

Eine Definition von Kommunikation als Informationstransfer dagegen ist mit weitaus weniger Widersprüchen versehen – lässt sich gar berechnen und nachprüfen.

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Die Realität als Maßstab: Messen, Vergleichen, Speichern, S. 151

„Der Mechanismus nun, eine Gruppe aufzubauen und zu erhalten, ist immer Kommunikation, ob es nun ein Zellverband oder eine Dorfgemeinschaft ist. Und Kommunikation ist Informationsaustausch. Dieser Austausch erfolgt freilich immer gemäß den Richtlinien des eigenen Systems, sein Aufkommen steigt mit der inneren Bindung der Systembausteine, ihrer Anpassung aneinander und an die gemeinsame Aufgabe, und fällt mit ihrer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit oder mit anderen Worten: Die „Verkehrsdichte“ der Kommunikation hängt von der Systemstruktur ab.“

Die Grundkonstruktion der Informationsverarbeitung: die Fliege, S. 212

„Hier haben wir endlich die Objektebene verlassen und sind zur Ebene des Systems aufgestiegen: das System, das sich dadurch vor dem Objekt auszeichnet, dass es nicht mehr Beziehungen zwischen allen seinen Bausteinen gleichermaßen erlaubt, sondern sie strukturiert in Untersysteme bis herunter auf die Objektebene.

Jedes dieser Untersysteme ist dabei erneut in der Dreiecksform gestaltet: Viel Wirkung muss mit einer Entscheidung verbunden sein. Diese Dreieckshierarchie lässt dem System die Möglichkeit, die Wirkungsketten zu kontrollieren und damit die Zustände, die seine Bausteine einnehmen, unter Kontrolle halten, denn Wirkungstransfer von jeder Stelle mit jeder anderen wird nur noch auf Objektebene erlaubt. Ansonsten muss die Kommunikation als Übergabe von Wirkungen über die Systemhierarchie der jeweiligen Entscheidungsstellen bis zu dem Objekt weitergereicht werden, das die Aufgabe letztendlich zu erfüllen hat.“

Dieses Konzept von Kommunikation deckt sich nicht nur mit den technischen Vorstellungen – und den umgangssprachlichen – sondern erklärt auch die biologische Beobachtung „form follows function“: Die biologische Nische, auf die sich ein Lebewesen spezialisiert hat, prägt sein Erscheinungsbild weitaus mehr als seine genetische Grundausstattung, egal ob es ein Säuger-Wolf oder ein Beutel-Wolf ist. Oder mit anderen Worten: das Problem sucht sich seine Lösung, ein schönes Indiz für die Erkenntnis vieler Programmierer, dass es „beste Lösungen“ gibt, auch wenn alle Lösungen in der Mathematik gleichwertig sind – nicht aber in der Physik, wo es das Variationsprinzip „geringste Wirkung“ gibt.

Und....

und dieses Konzept erklärt sogar die Aussage „Jedes System macht sich seine Information selber“, ohne auf Widersprüche zu stoßen.

Wieso?

Weil Informationsverarbeitungen immer mit Abbildungen arbeiten müssen, mit „Wissen“ – und das ist nichts weiter als Kopie, und nicht mal vollständige Kopie. Nur diejenigen Messwerte, die das informationsverarbeitende System überhaupt aufnehmen kann, können die „Bandbreite“ der „gewussten Zustände“ ausmachen, nur diese Werte können überhaupt „gesehen“ werden vom System. Alles, was sonst in der Umgebung geschieht, hinterlässt keine Spuren in dieser speziellen Informationsverarbeitung. Und später? Diese höchst unvollkommene Kopie einer Situation ist praktisch sofort nach der Aufnahme durch das informationsverarbeitende System nur noch Geschichte, ist nur noch der Widerhall eines Momentes, der längst vergangen ist! Soll heißen, diese Kopie kann nie wieder gegen das Original geprüft werden – nur gegen andere Kopien des eigenen Wissens.

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Die grundlegenden Bedingungen für Informationsverarbeitung, S. 204

„Welche Methoden, welche Ressourcen und Kompetenzen eine Informationsverarbeitung aufwendet, ist immer ihr eigenes Bier – sie muss nur sicherstellen, dass sie die totale Kontrolle darüber besitzt, denn sie muss Information speichern. Und wenn sie auch nie sicher sein kann, die vollständige Information über die Situation draußen zu besitzen, so darf ihr eigenes Abbildungssystem nicht noch selbst Unklarheiten hinzufügen durch schlampige Verarbeitung....

Und wenn schon nicht die Realität unter der Kontrolle der Informationsverarbeitung steht, dann muss es wenigstens das eigene System sein: Denn Information braucht Unterscheidbarkeit und das wiederum feste Position und sei es das eigene System.

Ein Problem bei Informationsverarbeitung wurde bisher nämlich noch gar nicht deutlich angesprochen: Jede Informationsverarbeitung produziert selbst Information.

Denn sie ist identifizierbar und sie weist Verhalten auf. Führt sie ihren Job nun derart exakt durch, dass gleiche Anfangszustände immer zum selben Ergebnis führen, dann erfüllen die Wertveränderungen, die sie selbst bewirkt, jede Anforderung an Information...

Klarer Fall, sagen Sie, wo sollte hier das Problem liegen?

Nun – es liegt darin, dass in den Nachrichten von externen Informationen, die selbst schon ein wirres Gemisch sind, abhängig vom Grad der internen Verarbeitung noch eigene Anteile einfließen.

Oder anders gesagt: Das, was Solipsisten überhaupt denken lässt, dass die ganze Welt mehr oder minder Einbildung ist, das, was Menschen überhaupt erst auf die Idee bringt, dass es tausend Wahrheiten geben könnte, liegt vor allem darin begründet, dass jede Verwertung von Information subjektiv ist und sein muss.

Sein muss?

Ja, sein muss – denn Ordnung ist ein Ausschlussprinzip, erinnern Sie sich? Jede Informationsverarbeitung muss immer und überall ausschließen, sie kann nur einen Bruchteil der Wertveränderungen akzeptieren, die überhaupt um sie herum auftreten. Das geschieht beileibe nicht nur aus der grundsätzlichen Anforderung von Information heraus, Unterscheidbarkeiten zu benötigen, sondern einfach auch aufgrund ihrer eigenen Begrenztheit.“

Diese Subjektivität ist es, die schon sehr frühe Philosophen, nicht erst die Solipsisten, dazu verleiteten, dem menschlichen Gehirn die alleinige Herrschaftsgewalt über Realität zuzusprechen – nicht viel anderes heißt „informal geschlossenes“ System wohl auch. Wenn die diversen Demenzkrankheiten oder Schizophrenie berücksichtigt werden, ist die Tatsache, dass die Welt, wie wir sie kennen, allein in unserem eigenen Gehirn existiert, auch gar nicht abzuleugnen.

Doch die Abbildungen, das „Wissen“, das eine Informationsverarbeitung erinnert, ist kein Selbstzweck – dazu ist allein die Tatsache des menschlichen Gehirns und des Opfers, das sie der Rasse abverlangt (Mütter- und Säuglingssterblichkeit wegen des großen Kopfes) zu hoch. Es muss einen Vorteil haben, sonst hätte Mutter Natur diese Evolution nicht unterstützt. Und der Vorteil heißt „Überleben in der Realität“ – in der Wechselwirkung mit einer ständig sich ändernden Umwelt. „Informale Geschlossenheit“, wie sie das Wissen des menschlichen Gehirns letztendlich wirklich darstellt, muss deshalb überwunden werden.

Und das Zauberwort der informationsverarbeitenden Strategie hierzu heißt „Widerspruch“. Die „informale Geschlossenheit“, die sich sehr reiche, mächtige Personen und Gruppen tatsächlich teilweise erlauben (Stichwort „Spiegelsaal“), ist nicht überlebensfähig, da informationsverarbeitende Systeme immer selbstorganisierende Systeme sind – und wenn sie sich nicht der Realität anpassen, wird deren schädlicher Anteil sie sehr schnell eliminieren. Denn dieses „Wissen“ jeder informationsverarbeitenden Struktur hat nur einen Sinn: Modell der Realität zu sein, um deren Verhalten korrekt einzuschätzen. Denn je genauer dies geschieht, umso „richtiger“ wird die Prognose, umso „besser“ die Entscheidungen (Bertrands Paradox) – und umso eher wird Überleben gefördert.

So einfach ist das.

Genau wie die Information und die Kommunikation als Informationstransfer.

Dieses Konzept der Kommunikation deckt sich jedoch nur teilweise mit dem der Kommunikationswissenschaftler.

Auskunft geschlossen - Information geöffnet“, Helmut Klemm, NZZ online, 07.12.02

„Bereits mit der Schrift, so der Kulturwissenschafter Friedrich Kittler, sei die Kommunikation unter Anwesenden gesprengt und seien einzelne Aspekte isoliert worden. Man konnte sich nun ohne kommunikative Rückbindung äussern. Die technischen Medien haben den Bezug zur Wahrnehmung und Sprache dann vollends gekappt. Mit der Telegrafie war, so Kittler, «zum ersten Mal Information als masseloser Fluss elektromagnetischer Wellen abgekoppelt von Kommunikation»: «Die Depesche war der erste Schritt zur Informatik.»“

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Abbildungsstrategien, S. 85

„Dass abgebildete, erlernte Muster die produzierende Abbildung sogar verlassen und zwischen verschiedenen Erzeugern ausgetauscht werden können, ist ein fast zwangsläufiges Nebenprodukt der Eigenschaft der Abbildung, identifizierbar und speicherbar zu sein. Denn damit ist sie auch immer kopierbar und kann weitergereicht werden. Eine solche Weitergabe geschah bei der Erfindung der Sexualität bereits das erste Mal auf der Ebene der Gene.“

Kommunikation als Informationstransfer erfordert nicht notwendig Anwesenheit oder Rückbindung – sie ist Übertragung von Wertveränderungen einer ganz spezifischen, informativen Art und ob dies per Worten, Bildern oder sonstigen physikalischen Wirkungen geschieht, ist letztendlich zweitrangig.

So hilfreich also Anthropozentrik für Erklärungen auch sein mag, so leicht kann sie auch in die Irre führen wegen zu hoher Vagheit. Und nur eines existiert, das Sicherheit verschaffen kann im Reich der Information: der Widerspruch.

Physik der Information, ISBN 3-935031-03-3,
Die Strategie: Gleichartigkeitshypothese, Gleichzeitigkeitshypothese und Widerspruch, S. 196

„Ein wesentliches Charakteristikum dieser Strategie ist dabei immer, dass sie Hypothesen sein müssen. Sicherheit gibt es nur a posteriori, nicht aber von vornherein, wahr ist nur, was war, was vorbei und abgeschlossen ist, doch was eine Informationsverarbeitung vor allem benötigt, ist der Blick in die Zukunft.

Genau hier liegt denn auch die Bedeutung des Widerspruchs, weil er Hypothesen widerlegt und damit Sicherheit schaffen kann, wenn auch nur im negativen Sinne.“

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© bussole IV 2004 (außer Zitate)

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